Worum geht es hier?
Ganz einfach: Um das kleine, grüne Rad aus dem Esso-Swop-Bonusprogramm,
designed
von der italienischen Designer-Schmiede Pininfarina, mit dem seit Anfang des Jahres ganze Horden von Schülern zur „Penne“ radeln.
Wer selbst nachlesen will, was für ein tolles
Rad das ist, der kann ja mal die Ausführungen eines Verkäufers bei Ebay
lesen! (Das Rad ist für alle Ferrari-Freunde ein Muss! *ggg*)
http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?ViewItem&item=2747185788&category=30746
Um es gleich vorweg zu sagen: Der Einsatz als Schülerfahrrad ist durchaus sinnvoll, von der Verwendung als echtes Mountainbike ist abzuraten. Das besagt schon der dem Rad beiliegende Prospekt mit folgendem Garantie-Hinweis: „Nicht unter die Garantie fallen Schäden oder Brüche ... durch Nutzung des Fahrrads bei nicht vorgesehen Bedingungen und auf ungeeignetem Gelände“! (Welches Gelände ist bei einem Mountainbike ungeeignet?) Auch Schäden durch „längere oder extrem häufige Benutzung des Fahrzeugs“ sind
durch die Garantie nicht abgedeckt!
Unglaublich – oder?
Das Designer-Rad sieht zwar auf den ersten Blick ganz nett aus, kann aber in Punkto Qualität und Ausstattung nicht überzeugen. Was soll man für
ein paar Bonuspunkte und 127 Euro Zuzahlung eigentlich anderes erwarten? Allerdings weckt der Schriftzug Pininfarina unter uns männlichen Autofahrern
(also die bei Esso angesprochene, tankende Zielgruppe) schon Gefühle der Sympathie und steht durchaus für eine gewisse Qualitätsaussage. Man frag sich nur, was einen großen Designer dazu
bewogen hat, sein Namen für ein windiges Rad herzugeben.
In einschlägigen Internet-Foren wurde damals über
das Rad heiß diskutiert. Die überwiegende Zahl der Diskussionsteilnehmer
äußerte sich negativ, bisweilen sogar mit Warnhinweisen, falls jemand damit
wirklich beabsichtigen sollte in den Bergen zu fahren - und ich wollte das
tatsächlich!
Ich stand vor dem Problem, zwar eine Transalp (Garmisch - Riva) initiiert
zu haben, aber ohne einen entsprechenden fahrbaren Untersatz. Schließlich bin ich überzeugter Trekking-Rad-Fahrer, der in den Sommermonaten täglich viele Kilometer auf ebener Strecke ins Büro radelt. Ich brauchte zwar für die Alpenüberquerung ein Mountainbike, habe aber sonst dafür keine Verwendung. Daher sollte es ein günstiges Bike sein und so ließ ich mich auf das Experiment,
oder vielmehr „Abenteuer“, mit dem Esso-Rad ein - allen Warnungen zum trotz!
Zur Technik: Das Rad besitzt eine einfache Shimano-Tourney 21-Gang Schaltung + Revo-Shift
(Drehgriffe). Weiterhin ist eine Federgabel vorhanden, V-Brakes, Plastik-Bremsgriffe (mit Alu-Bremshebel), Plastik-Pedale (mit Metallkranz) und harter Sattel sind ebenso vorzufinden. Y-Rahmen, Felgen, Kurbeln, Lenker und Sattelstütze sind aus Aluminium. Ritzelsatz vorne: 48-38-28, Ritzelsatz hinten 34-24-21-19-17-15-13. Die Ritzel sind jeweils miteinander vernietet bzw. verschweißt und lassen sich nicht einzeln tauschen. Gekapselte Lager findet man am Rad nicht, ebenso verhält es sich mit Schnellspann-Naben und Hohlkammerfelgen: Leider Fehlanzeige!
Mein Urteil vor der Fahrt: Die billige Schaltung funktioniert erstaunlich leicht und gut. Die Bremswirkung der V-Brakes ist ausreichend. Der Rahmen ist für Personen mit 1,85 m Körpergröße (wie mich) eigentlich zu klein. Die Federgabel ist ein echter Witz, da kann man auch gleich mit einem Hardtail über die Alpen düsen. Das Rad kann auch nicht gerade als Leichtlaufrad bezeichnet werden, was wohl an der Stollenbereifung und an den Radlagern liegen dürfte. Der Ritzelsatz vorne ist viel zu groß, ich frage mich, wer damit ernstzunehmende Steigungen bewältigen will (Nach Testfahrt am Sonnwendjoch wusste ich, dass da etwas getan werden musste). Das kann auch das einsame hintere 34-er Ritzel nicht richten. Damit ist auch schon angerissen, dass hinten der Sprung zwischen 34 und 24 Zähnen viel zu krass ist – da fehlt einfach ein ganzer Gang!
Bevor es losging hatte ich folgende Komponenten angebaut, bzw. getauscht: Steckschutzbleche, Fahrradcomputer, besserer Sattel, längere Sattelstütze,
Shimano 324 Klick-Pedale, Magura Hydraulikbremse HS-33, ergonomische Griffe (BioGrip), zwei Trinkflaschenhalterungen (nur eine ist vorgesehen!), Alu-Gepäckträger (für einen kleinen Ortlieb Packsack), neue Kurbeln mit kleineren Ritzelsatz: 42-32-22.
Nach dem Kurbeltausch stellte sich heraus, dass der vordere Umwerfer das große Ritzel nicht bedienen konnte. (Wie nennt man das? Falsche Einpresstiefe?) Die neue Kurbel hatte die Ritzel zu weit außen. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass die Achse asymmetrisch war (hier gibt es ja keine Tretlager-Patrone), sie ließ sich ausbauen und einfach umdrehen. Damit war das Problem behoben.
Am Sonntag den 01.06.03 ging es also endlich los und für das (modifizierte) Esso-Rad begann in Garmisch-Partenkirchen die harte Bewährungsprobe. Leider muss ich hier berichten, dass das Rad nicht einmal den ersten Tag schadlos überstanden hat. Kurz vor dem Fernpass ist tatsächlich die Kette gerissen! Wenn man da keinen Kettennieter dabei hat, schaut man ziemlich dumm aus der Wäsche. Die Kette wurde um ein Gliederpaar gekürzt und die Reise ging weiter. Meine Mitfahrer waren jetzt sichtlich beunruhigt – sollte mein kleines Abenteuer mit dem Rad von der Tanke für alle zu einem echten Desaster werden? Nun, soweit sollte es dann doch nicht kommen. Das Rad ist meinen Begleitern lediglich am letzen Tag noch einmal negativ aufgefallen: Ein 8-er am Hinterrad, bei einem sehr felsigen Downhill zwischen Ranzo und dem Lago di Tobolino. Die Felgen sind also auch nicht gerade der Hit! Mit einem Nippelspanner konnte die 8 nahezu beseitigt werden.
Mir persönlich machten nach meinem Ritzeltausch eigentlich nur die Abfahrten auf Passtrassen zu schaffen. Meine vier Transalp-Freunde sind mir da regelmäßig davon gefahren, weil ich einfach keinen großen Gang für die schnelle Fahrt hatte. Streng genommen hätte ich vor Fahrtantritt auch den hinteren Ritzelsatz komplett gegen einen ausgewogenen Satz tauschen müssen.
Die Pannenstatistik für die fünf teilnehmenden Transalp-Räder nach sieben Einsatztagen lautet: Jedes Rad hatte eine Panne, mein Rad von der „Tanke“ hatte zwei Pannen. Diese Statistik ist für das Esso-Rad also
gar nicht so schlimm. Trotzdem hatte ich mit dem Rad in unserer Gruppe wohl die
„härteste“ Alpenüberquerung, schon allein weil die anderen vier Räder eine
„echte“ Federgabel und eine vernünftige Übersetzung hatten.
Die Alpenüberquerung ist mit dem Rad nach 436,5 km (aufwärts: 8.362 Hm, abwärts: 8.830 Hm) glücklich geschafft. Nun stellt sich die Frage ob ich einfach nur Glück hatte und die Warnungen der Kritiker an und für sich berechtigt sind. Ich weiß es wirklich nicht! Die Tour hat Spaß gemacht und ich habe mich auf dem Rad zu keinem Zeitpunkt unsicher gefühlt. Das Nachrüsten der hydraulischen Bremsanlage und der besseren Übersetzung haben natürlich positiv dazu beigetragen.
Mein Fazit: Nehmt den Kindern nicht ihre Schulfahrräder weg! Für Eure nächste Alpenüberquerung wählt
bitte ein anderes Rad...
Radlergruß,
Robert
Stand 17.08.2003
GÄSTEBUCH
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